16.8. Huayna Potosi Tour 3. Tag
Pünktlich um 1:00 Uhr wird geweckt. Zum Frühstück bekommen wir fast nichts herunter. Kurz die Wasserflaschen mit heißem Wasser aufgefüllt, so frieren sie zumindest die ersten Stunden nicht ein. Pro Person eine Tafel Schokolade, zwei Müsliriegel, eine Mettwurst und eine Packung Kekse haben wir für den Aufstieg eingeplant. Insgesamt werden wir nur eine halbe Tafel Schokolade essen. Aber das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.
2:15 Uhr ist Abmarsch für uns beide mit unserem Bergführer Juan, der uns schon erfolgreich auf den Chankini Gipfel geführt hat. Einige Stunden Aufstieg liegen vor uns. Bestkonditionierte Bergsteiger schaffen die Strecke in 4 Stunden. Die meisten zwischen 5 und 7 Stunden. Dazu kommt der Abstieg. Eigentlich nicht viel, wenn der Sauerstoffmangel in dieser Höhe nicht wäre.
Auf 5425 dann die erste Pause. „Argentino Camp," meint Juan. Weit und breit nichts zu sehen im Schein unserer Stirnlampen. Skiunterwäsche, Fleecejacke, Daunenjacke, Goretex Jacke, zwei Paar Handschuhe, Mütze, Helm, Plastikbergstiefel, Steigeisen, Eispickel. Da kommt man schon ganz schön ins Schwitzen. Gut, dass wir keinen Rucksack mitgenommen haben, das wäre nur zusätzlicher Ballast. Wenn man sitzt, wird es schnell kalt. Also weiter. Einen Fuß nach dem anderen. Unten im Tal flimmern die Lichter von El Alto, der Millionenvorstadt von La Paz. Bald schon werden wir von kleinen Gruppen schnaufenden Bergsteigern überholt. „Lass sie sich mal alle verausgaben, wir gehen ganz ganz langsam weiter. Gewonnen hat, wer heil herunter kommt." sagt Simon.
Im Schein der Stirnlampen setzen wir ein Steigeisen vor das nächste. Als wir die erste Steilstufe erreichen, muss ich mich zur Konzentration rufen. Nicht nur gehen, sondern auch noch den Eispickel einschlagen, das kostet zusätzlich Kraft. Oben angekommen ringen auch wir nach Luft. Aber ein Ende ist nicht in Sicht. Den Kopf in den Nacken gelegt sieht man weit oben die Taschenlampen der anderen Bergsteiger flimmern. So weit noch hoch? Das schaffen wir nie!
Bei 5900 Metern und gefühlten Stunden später kommt das, was viele Marathonläufer unter der sogenannten Wand verstehen: Totale Erschöpfung - nichts geht mehr. Wir liegen auf dem Rücken im Schnee und ringen nach Luft. Fünf Minuten Pause gesteht uns Juan ein, dann geht er weiter. Das Seil spannt sich, aber Simon bleibt einfach liegen. „Wer bezahlt hier eigentlich wen" murmelt Simon. Nach weiteren fünf Minuten Pause geht es weiter. Aber schon nach drei Schritten merke ich, dass sich mein Körper in der kurzen Pause nicht erholt hat.
Ab jetzt müssen wir alle 10 Schritte anhalten und kurz nach Luft schnappen. 6000 Meter, Sonnenaufgang: ich lege mich in den Schnee und genieße das Schauspiel in dieser Höhe. Ich kann nicht mehr weiter. Ich bin zu erschöpft. Juan will weiter und fragt: „Simon, how are you?" Keine Antwort. „Simon?" Jede Antwort kostet Sauerstoff, den man zum Gehen benötigt. Und so signalisiert Simon durch bloßes Aufstehen, dass es weitergehen kann. Diesmal bin ich es die liegen bleibt. Ich bin einfach zu erschöpft um weiter zu gehen. „Komm, die 88 Höhenmeter schaffen wir jetzt auch noch" klingt eine Stimme in meinem Kopf. Muss wohl Simon gewesen sein.
Der Gipfel ist nah. Uns trennen nur noch eine Steilstufe und der gefürchtete lange Gipfelgrad. Steil geht es links und rechts hunderte von Metern in die Tiefe, aber dank Sauerstoffmangel und Erschöpfung empfindet mein Gehirn keine Angst.
Um 7:17 fallen wir auf die Knie. Die Hände auf den Eispickel gestützt, schwer atmend. 6088 Meter! Höher geht es hier nicht. Wir haben es geschafft. Wir stehen auf dem Gipfel des Huayna Potosi (Höhe 6.088 m).
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Sonnenaufgang auf 6.000 m Hoehe |
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Juan auf dem schmalen Gipfelgrad |
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Huayna Potosi 6.088 m hoch |
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schmaler Gipfelgrad, Ela vorweg beim Abstieg |
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Abstieg |